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Ein digitales Ökosystem kann nur gedeihen, wenn es klare und faire Regeln für das Teilen von Daten gibt

Ein digitales Ökosystem kann nur gedeihen, wenn es klare und faire Regeln für das Teilen von Daten gibt

Ein digitales Ökosystem kann nur gedeihen, wenn es klare und faire Regeln für das Teilen von Daten gibt

Sonntag, 28. April 2019

Christian Neumann

Neonschild unterhalb von einem Fenster mit Blick auf eine Skyline.
Neonschild unterhalb von einem Fenster mit Blick auf eine Skyline.
Neonschild unterhalb von einem Fenster mit Blick auf eine Skyline.

Neue Regeln braucht die Datenwelt, oder wem gehört welcher digitale Zwilling?

Wo stehen wir heute?

Die heutigen Spielregeln der Wirtschaft stammen aus einer Zeit als primär physische, und damit materielle Vermögenswerte, den Ton angegeben haben. In einer Welt, in der immaterielle Vermögenswerte immer bedeutsamer werden, muss die Frage gestellt werden, welche Spielregeln gelten sollen. Daten sind hier sicherlich einer der immateriellen Vermögenswerte, die am meisten einer Klärung bedürfen. Zwar ist die Analogie „Daten sind das neue Gold“ nicht ganz korrekt, aber es ist wahr, dass Daten eine wichtige Rolle spielen und diese wird in der Zukunft nur noch wachsen. Daten treiben bereits heute viele wichtige Innovationfelder an. In Kombination mit AI wird die Bedeutung von Daten noch steigen. Das WSJ hat in einem Leitartikel gut dargelegt, dass die Algorithmen in Zukunft das strategisch Entscheidene sein werden und nicht die rohen Daten. Bereits heute "ertrinken" wir weltweit in Daten und "hungern nach Wissen".

Die Herausforderung ist, dass das Eigentum an einem Datum nicht wirklich klar geregelt werden kann und der Gesetzgeber bis jetzt das Feld auch noch nicht geklärt hat. Zwar verspricht die DLT – Welt (Distributed Ledger Technology), dass dieses Problem gelöst werden kann, noch ist dies aber nicht Realität und selbst wenn es dies wäre, wird dieser Punkt nie rein technisch zu lösen sein. Denn es bleibt dabei, dass man Daten beliebig oft kopieren kann, ohne das es Qualitätseinbußen gibt. Wenn jemand mir etwas digital sendet, kann ich es i.d.R. problemlos weiterleiten.

Hinzukommt, dass in den letzten Jahren, tja, fast den letzten beiden Jahrzehnten, sich ein Plattformkapitalismus ausgebreitet hat, der die Daten der User sehr intransparent monetarisiert. Lange Zeit war dies für die Benutzer ein akzeptierter Deal, „ich gebe dir meine Daten und du gibst mir deinen Service scheinbar umsonst“. Wobei man sich fragen muss, ob die Mehrzahl der User es wirklich verstanden hat, auf welchen Deal sie sich eingelassen haben. Dieses System ist aber mittlerweile Amok gelaufen und wir alle haben im Privaten gelernt, was passiert, wenn man sich ohne Kontrolle total transparent macht. Die Skandale der letzten Jahre, sei es geklaute Passwörter oder Datenmissbrauch aller Art, haben dazu beigetragen, dass das Bewusstsein sich nun schärft. Insbesondere die B2B Welt war in diesem Punkt schon immer eher skeptisch, denn dort sind Daten noch viel wertvoller als im privaten Bereich.

Dieses Prinzip nun im B2B Umfeld anzuwenden, ist in unseren Augen zu kurz gedacht. Wir gehen davon aus, dass die Klärung des Dateneigentums ein Eckpfeiler des Erfolgs von Industrie 4.0 darstellt. Mit all den Skandalen aus der B2C Welt gibt es einen Anreiz für einen Industriebetrieb, die Daten seiner Maschine z.B. einem Maschinenbauer zu überlassen? Der Maschinenbauer könnte diese aber gut gebrauchen. Zum einen könnte er damit seine Produktentwicklung füttern und so hoffentlich bessere Produkte auf dem Markt bringen. Zum anderen wäre er in der Lage auch datengetriebene Services anzubieten. Nur warum sollte ein Industriebetrieb dem Maschinenbauer Daten für nichts geben?

Was also benötigt wird ist eine klare Regelung zum Dateneigentum. Dies wird leider heute vom Gesetzgeber, den Verbänden (Bitkom, VDMA, Plattform I4.0) oder den großen IoT Anbietern nicht verstanden oder bewusst ausgeklammert. Eine aktuelle Studie von Accenture ergab allerdings, dass der Austausch nach definierten Regeln viel erfolgreicher ist als die Isolation. 77% der „Master“ in der Accenture-Studie geben an, dass sie Daten unter bestimmten Bedingungen austauschen. Bis vor kurzem war der Schutz/Isolation die Kernstrategie für viele Produktionsunternehmen auf der ganzen Welt, daher ist es sicherlich ein großer Schritt, wenn man jetzt über „teilen“ nachdenken muss. Die Geschichte von Adler beschreibt allerdings sehr gut, was die Vorteile sind und verdeutlicht noch besser den Kulturwandel, der notwendig ist, um mit dem Teilen zu beginnen.  

Wie könnte eine moderne Welt aussehen?

Trennen wir zur weiteren Betrachtung erst einmal die technische Realisierung und das potentielle Regelwerk.

In meinen Augen kann eine Wirtschaft nur richtig florieren, wenn die Teilnehmer die Kontrolle über ihre „Güter“ und Aktionen haben (Im Grund genauso wie in der Vergangenheit, weshalb so viel Aufwand von Staaten getrieben wurde, um die Eigentumsverhältnisse zu klären). Genau diese Kontrolle ist bei Daten zurzeit nicht sicher gegeben. Juristisch gibt es keine klare Definition wem ein Datum gehört.

Sie finden einen kurzen Videobeitrag hierzu auf YouTube.


Der erste Ansatz ist, dass jedes Datum demjenigen gehört, dem auch das zugehörige physische Objekt gehört. Dies klingt im ersten Ansatz gut, führt aber in bestimmen Fälle zu Herausforderungen. Insbesondere dann, wenn Güter unter Eigentumsvorbehalt (z.B. finanziertem Kauf, Leasing) überlassen werden. Um auch für solche Fälle eine Antwort zu finden, muss man sich die Datenstruktur genauer ansehen. Es gibt in unseren Augen drei Kategorien von Daten: Stamm-, Instanz- und Prozessdaten.

Das Stammdatum beschreibt grundlegende Eigenschaften und man kann es mit den Informationen in einem Produktkatalog gleichsetzen. Diese Informationen gelten für alle Produkte dieses Typs und sind nicht auf eine einige Instand beschränkt.

Instanzen sind eindeutig identifizierbare Assets mit einer eindeutigen Identifikationsnummer. Instanzdaten sind Konkretisierungen von Stammdaten und sind dann wichtig, wenn ein eineindeutiges Objekt zwar zu einem Produkt gehört, aber aufgrund von Feinheiten im Produktionsprozess wichtige Parameter immer etwas individuell ausfallen. Beispiel: Bei Werkzeugen variieren die Geometriedaten eines eineindeutigen Objektes. So gibt das Stammdatum an, dass der Fingerfräser einen Durchmesser von 1,5 – 1,6cm (Stammdaten) hat. In der Instanz steht dann für das konkrete Objekt, dass der Durchmesser 1,543 (Instanzdaten) cm ist. Diese Genauigkeit ist im Produktionsprozess von Bedeutung, damit z.B. CNC Maschinen die Kompensationen richtig berechnen können und das Werkstück nachher Haar genau gefräst wird.

Prozessdaten speichern konkrete Informationen aus dem Produktionsprozess. Es sind diejenigen Daten die direkt von einem Objekt erzeugt werden. Also Messwerte, Ereignisse und Ergebnisse aus dem „Leben“ z.B. einer Maschine. Sie können etwa als Fahrtenschreiber oder Telemetriedaten der Maschine verstanden werden. Teile davon können aggregiert in die Instanz fließen. Zum Beispiel die kumulierten Betriebsstunden.

Betrachtet man das Thema nun auf diesen drei Ebene, ist unser Ansatz wie folgt. Das Stammdatum sollte immer im Eigentum des Herstellers sein, er hat die Hoheit über die Produktentwicklung und sollte damit auch die Hoheit über das digitale Pendant haben. Instanzdaten sind das Bindeglied zwischen Stamm- und Prozessdaten. Wenn jemand ein physisches Objekt kauft, sollte er auch Eigentümer der digitalen Instanz dazu werden. Also beim Kauf geht das Eigentum am physischen Gut und dem digitalen Twin an den Käufer über. Sollte dieser Kauf unter einem Vorbehalt oder einem Leasingkonstrukt stehen, dann verhält sich dies für den digitalen Twin genauso. Der Käufer wird dann zwar Besitzer, aber kein Eigentümer solange die Vorbehaltsbedingungen nicht erfüllt sind. Oder im Falle vom Leasing bleibt der Leasinggeber Eigentümer und der Käufer wird immer „nur“ Besitzer. Dies wird gut funktionieren, denn die Instanz ist zwar eine konkrete digitale Kopie des physischen Objekts enthält aber erstmal keine weiteren Daten des Käufers. Erst die Prozessdaten werden Daten des Käufers enthalten, nämlich die Daten die in seinem Produktionsprozess von dem Objekt erzeugt werden. Diese Daten sollten also immer im Eigentum des Käufers bzw. des Besitzers sein. Denn er hat diese produziert, unabhängig ob er Eigentümer oder Besitzer des physischen Objektes ist.

Somit ergibt sich erstmal folgender Ansatz

  • Stammdaten: Immer im Eigentum des Herstellers des physischen Objektes

  • Instanzdaten: Folgen dem Eigentum am physischen Gut. Es kann also eine geteilte Situation geben in der jemand Eigentümer ist und jemand Besitzer. Hier muss dann noch geklärt werden, welche Rechte der Besitzer hat.

  • Prozessdaten: Immer im Eigentum des Besitzers des physischen Objektes


Folgende Fälle sind dann noch offen:

  • Was passiert, wenn das Objekt verkauft wird, bekommt der neue Besitzer auch Zugriff auf die Prozessdaten des Vorbesitzers?

  • Wem gehören aggregierten (Instanz-)Daten, die aus Prozessdaten entstehen. Beispiel: Die Gesamtlaufzeit eines Objektes?

  • Welche Rechte an einem Instanzdatum hat der Besitzer, wenn er kein Eigentümer ist?


Zu a) schlagen wir vor, dass die Prozessdaten nicht übergehen, da sie teilweise Produktionsinformationen enthalten, die kritisch sein können. Auch kauft der Käufer das Objekt und seine Funktion und nicht die Produktionsprozessinformationen des Vorbesitzers. Daher sollten für ihn nur die Instanzdaten relevant sein, denn diese enthalten alle wichtigen Information über das Objekt und beziehen sich auf die übergeordneten Stammdaten. Die Instanzdaten geben einen Blick auf den Zustand des Objektes und beschreiben kritische Parameter, die durch die Benutzungshistorie geprägt sind. Also alles was man als Käufer wissen muss, um eine informierte Entscheidung über den Kauf treffen zu können und was benötigt wird, um das Objekt bestmöglich einsetzen zu können.

Zu b) Der Eigentümer sollte dies festlegen können und im Rahmen des Verkaufs wird dies transparent geklärt. Wenn also der Leasinggeber (Eigentümer) vom Käufer (Besitzer) als Gegenleistung für die Finanzierung einfordert, dass die Gesamtlaufzeit und weitere Parameter aggregiert in der Instanz erfasst werden müssen, dann hat dies zu erfolgen. Denn es ist Teil des Geschäftes, dass die beiden mit einander geschlossen haben. In der Regel hat der Leasinggeber ja auch ein berechtigtes Interesse, da er die Abnutzung des Objektes kennen muss, um seine Risikooptimierung berechnen zu können.

Zu c) Wir schlagen vor, dass der Besitzer die Daten nutzen kann, ähnlich wie er ein Nutzungsrecht für das physische Objekt hat, denn nur so wird der Besitzer in der Lage sein auch von dem digital Twin zu profitieren. Nur wenn er dies kann, wird er auch gewillt sein einen digitalen Twin zu schätzen und ggfs. dafür einen Aufschlag an den Hersteller zu zahlen.

Was bedeutet dies nun für den Betrieb? Da er entweder Eigentümer oder Besitzer seiner physischen Objekte ist, hat er erstmal eine klare Grundlage. Auf jeden Fall bleibt er der Herr seiner Prozessdaten, was für die Betriebe die kritischen Daten sind, denn diesen spiegeln ihr Knowhow wieder. Der Hersteller auf der anderen Seite hat ebenfalls einen klaren Rahmen. Er ist auf jeden Fall Herr über seine Stammdaten, genauso wie er Herr über seine physische Produktdefinition ist. Beide treffen sich auf der Ebene der Instanzdaten. Aber auch dort gibt es klare Verhältnis. Diese sind an das physische Eigentum/Besitz angelehnt und somit leicht nachvollziehbar.

Diese klaren Verhältnisse bieten die richtige Basis für neue Lösungen. So kann ein Marktteilnehmer einen Service entwickelt z.B. eine Optimierung. Damit diese funktioniert wird er vermutlich Daten benötigen. Der Besitzer (bei Stamm- und Prozessdaten gleich dem Eigentümer, bei Instanzdaten ggfs. abweichend, aber mit dem Recht der Datennutzung) kann ihm dafür Zugriff gewähren. Unter welchen Bedingungen der Besitzer Zugriff gewährt muss dann im Rahmen des Vertagsverhältnisse zwischen Anbieter und Servicebenutzer geklärt werden. Theoretisch sind hier diverse Ansätze möglich:

  • Die Lösung kostet x€ und damit sie genutzt werden kann, muss Zugriff auf die Daten gewährt werden

  • Die Lösung erfolgt kostenlos, dafür bekommt der Lösungsanbieter Zugriff

  • Der Zugriff soll kostenpflichtig sein und die Lösung ist kostenpflichtig

  • Nur der Zugriff ist kostenpflichtig


In all diesen Fällen ist wichtig, dass es nur ein Recht auf Zugriff zur ERBRINGUNG der Lösung ist und kein Abtreten der Daten für eine sonstige Nutzung.

Genau hier entsteht dann aber die technische Herausforderung, denn wenn Daten einmal übermittelt sind, ist es unmöglich sie technisch garantiert wieder zurückzufordern. Dies kann nur auf einem Regelwerk basierend erfolgen. Denn jemand kann sagen, dass er die Daten gelöscht hat, aber wirklich kontrollieren kann man es nicht. In der physischen Welt ist es eindeutig wer zu welchem Zeitpunkt im Besitz eines Objektes ist, man muss nur sehen wo es sich befindet. Bei Daten kann es Kopien geben, die weitergegeben werden ohne Qualität einzubüßen.

Was bedeutet dies nun für die (technische) Umsetzung?

Da es technisch nicht hundertprozentig gelöst werden kann, muss es eine Mischung aus Technik und „Schiedsrichter“ geben. Dieser Schiedsrichter kann nur ein neutraler Spieler sein, der die gemeinsame Basis für die Zusammenarbeit zur Verfügung stellt. Daher ist es die natürliche Schlussfolgerung, dass es eine technische Plattform geben wird, die von einer neutralen Stelle betrieben werden muss. Hier gilt die alte Situation, dass alle Teilnehmer in den Mittelsmann vertrauen müssen, damit das Gesamte funktioniert. Einen solchen Mittelsmann zu haben ist sicherlich nicht die beste Situation, da man ein Stück abhängig wird und vom guten Willen des Mittelsmannes abhängig ist. Allerdings sehen wir zurzeit in den DLT Technologien noch keine Lösung, die es erlauben würden, den Mittelsmann für Industrieanwendungsfälle abzulösen. Hier bleibt die künftige Entwicklung aber sehr spannend und wir haben ein sehr wachsames Auge auf den Entwicklungen!